Ich mache mir sehr große Sorgen. Es geht um unsere Tochter Yvonne-Jaqueline. Mein Mann und ich hatten uns sehr lange damit beschäftigt, welche Schulform und welche Schule für unsere Tochter wohl die beste sein könnte. Dann entschieden wir uns für das Sebastian Ohnesorg -Gymnasium in Knödelburg. An diesem Gymnasium ist Höchstleistung angesagt. Wir besuchten die Schule damals uneingeladen, um einen authentischen Eindruck gewinnen zu können. Mein Mann verkleidete sich als Hausmeister.
Bier hatten wir noch vorrätig und der dicke Auto-Peter lieh uns einen von seinen blauen Arbeitsanzügen. Ich ging als Putzfrau. Mein Mann meinte, da kenne ich mich am besten aus, das würde nicht weiter auffallen.
Ja und was soll ich sagen? Wir waren begeistert. Die Lehrer rannten auf den Gängen umher, das war die reine Pracht. Das machen die, meinte mein Mann, um Zeit zu sparen, auf ihren Wegen zwischen den verschiedenen Klassenzimmern. Putzig fand ich ja dabei, dass auch immer eine Gruppe von Schülern hinter ihnen herjagte. Das war die Vorbildwirkung.
Wir lauschten dann später noch an einigen Türen. Hinter einer Tür erklangen Schüsse. Mein Mann sagte, so einen interessanten und praxisbezogenen Chemieunterricht hätte er sich damals auch gewünscht. Beeindruckt war ich vom Deutschunterricht. So hörte ich hinter einer anderen Tür eine Stimme stöhnen, ich komme, ich komme. Die Schülerin war bestimmt ins Stocken geraten, als sie „ich komme“ konjugieren sollte, zeigte sich aber trotzdem sehr bemüht und gab nicht auf. Das lag wohl auch daran, dass der Lehrer ihr immer wieder ein lautes Ja zurief, und sie solle nicht aufhören
Alles in allem, wir konnten einen sehr guten Eindruck gewinnen.
Mittlerweile sind wir aber sehr in Zweifel geraten, ob unsere damalige Entscheidung für diese Schule richtig war.
Und das alles wegen unserer Nachbarn.
Aber ich beginne von vorn zu erzählen.
Vor zwei Monaten wurden wir von ihnen eingeladen. Ihre Tochter Manga-Agape stünde kurz vor ihren Prüfungen und zur Ablenkung wollten sie ihr ein kleines Fest schenken. Mein Mann und ich wunderten uns zunächst. Denn das Verhältnis zu unseren Nachbarn ist etwas- wie soll ich sagen- ins Stocken geraten, wahrscheinlich weil wir Anhänger des Stephanusknutenrutenritus sind und unsere Nachbarn bezüglich unserer Religion mit Unverständnis, ja fast schon Ablehnung reagieren. Aber das ist jetzt ein anderes Thema.
Jedenfalls kam diese unerwartete Einladung. Und wir einigten uns darauf, diese anzunehmen. Vielleicht ergab sich so eine Gelegenheit, die nachbarschaftlichen Beziehungen wieder normalisieren zu können, dachten wir.
Mein Mann fand recht schnell ein passendes Kleid- ja, er trägt Frauenkleider, aber auch das ist jetzt ein anderes Thema.
Es wurde schließlich eine ganz nette Feier bis Nachbars begannen, ihre Tochter überschwänglich zu loben.
Unentwegt bestätigten sie sich gegenseitig ihrer Freude, dass ihre Tochter die Privatschule von Doktor Wobbellatus besuche. Besonders in Egometrie und Pädoklampfie gehöre sie wohl zu den Klassenbesten. Wenn ihre Prüfungen so abliefen, wie geplant, dann könne sie wohl mit einem Stipendium der Hannelore Welschleder- Stiftung rechnen und Sozialegometrie im Ausland studieren.
Während der Feier erschien Manga-Agape dann mit einem seltsamen Helm auf dem Kopf. Durch eine Sprachöffnung erklang ihre verzerrte Stimme. Sie teilte den Gästen mit, dass sie sich jetzt zurückziehen müsste, um mit ihrem neuen Egometriehelm, ja und das habe ich vergessen, wie sie das nannte, jedenfalls flackerte später das Licht im gesamten Haus, bevor es dann für eine Stunde keinen Strom mehr gab. Aus dem Keller jedoch klang ein lautes Brummen begleitet von rhythmischen Grunzlauten.
Der Direktor von der Sparkasse, Herr Drögensack, zeigte sich begeistert. Er habe das alles mühsam auf unzähligen Wochenendseminaren erlernen müssen, aber heutzutage und mit der Technik, da würde er auch noch mal jung sein wollen.
Als er dann fragte, was unsere Tochter für eine Schule besuche, verabschiedeten wir uns schnell und verließen die nachbarliche Feier. Wir wollten uns schließlich keine Blöße geben.
Liebes Tagebuch, du bist meine letzte Rettung! Haben wir für unsere Tochter richtig entschieden?
Fehlen ihr im späteren Leben nicht vielleicht entscheidende Kenntnisse im Fach Egometrie? Wie und wo kann sie darin jetzt noch Wissen erwerben?
Und was bedeutet das eigentlich, Egometrie?
Deine Hildegard