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[Epik] Leitfaden - Die Kunst des Weglassens

Beitragvon Struppigel » So 14 Sep, 2008 13:40


[size=150:1oa6spxs]Die Kunst des Weglassens[/size]

Bei Schreibanfängern gibt es grob eingeteilt zwei Extrem-Typen. Die einen packen so viele belanglose Details in ihre Geschichten, dass sie dem Leser lediglich ein Gähnen entlocken, drücken dem Leser ihre Intention direkt auf die Nase, bevormunden ihn vielleicht sogar und nehmen ihm jegliches Denken ab. Die anderen beschreiben so wenig, dass die Atmosphäre unter der Detaillosigkeit leidet, Gefühle nicht beim Leser ankommen, wichtige Zusammenhänge nicht mehr klar sind und die Anregung der Phantasie gegen Null geht.
Wie immer im Leben muss man einen Mittelweg finden.


Gliederung:

  1. Funktion und Wirkung
  2. Die Phantasie anregen
  3. Fragen aufwerfen
  4. Unnötiges entfernen

Funktion und Wirkung:

Im besten Fall und richtig angewendet
  • regt Weglassen die Phantasie an
  • wirft Fragen auf
  • erhöht die Spannung
  • macht die Geschichte mehrmals lesbar
  • regt zum Nachdenken an

Im ungünstigsten Fall bewirkt Weglassen
  • Verwirrung beim Leser
  • den Verlust des „Roten Fadens“
  • die Reduzierung der Spannung auf Null
  • Langeweile

Die Phantasie anregen

Hier gilt:
Biete der Phantasie keine ganzen Brote an, sondern kleine leckere Häppchen.
Das heißt, der Autor sollte das Weglassen nicht durch einen allgemeinen Oberbegriff gestalten, sondern schmackhafte Details servieren.

Das Brot:
Er öffnete langsam die knarzende Tür und spähte in die Dunkelheit des Zimmers. Dann wagte er ein paar Schritte hinein, blieb stehen, um seine Augen an die Finsternis zu gewöhnen. Plötzlich stand ein Monster neben ihm.

Das Weglassen soll hier darin bestehen, das Monster nicht näher zu beschreiben, damit sich der Leser die Details selbst ausdenkt.
Gruselig? Sicher nicht.

Das Häppchen (mit Beilagen garniert, hübsch angerichtet):
Er öffnete langsam die knarzende Tür und spähte in die Dunkelheit des Zimmers. Dann wagte er ein paar Schritte hinein, blieb stehen, um seine Augen an die Finsternis zu gewöhnen. Plötzlich spürte er einen warmen Luftzug auf seinem rechten Oberarm, in seine Nase drang ein fauliger Gestank. Etwas neben ihm bewegte sich.

Auch hier wird sehr viel nicht gesagt. Der Gestank lässt nur erahnen, dass es sich um ein ekliges Lebewesen handeln muss. Die Wirkung ist auf jeden Fall eine bessere als im ersten Beispiel.

Merke:
1. Oberbegriffe sind definitiv nicht geeignet, um die Phantasie anzuregen.
2. Detailliert zu beschreiben heißt nicht automatisch, mehr zu verraten.


Fragen aufwerfen:

Eine Geschichte, bei der am Ende alle Fragen restlos geklärt sind, verleitet nicht zum nochmaligen Lesen. Aber auch im Verlauf der Geschichte ist bewusstes Zurückhalten von Informationen nötig, um sie kurzweilig zu gestalten.
Die Schwierigkeit liegt hier meiner Erfahrung nach nicht im Wie, sondern im Wieviel. Zu viele offene Fragen lassen den Leser unbefriedigt zurück. Zu wenig Informationen für den Leser kann bewirken, dass er nicht mehr durchblickt. Die Geschichte erregt dann in etwa so viel Spannung wie ein Mathelehrbuch.
Für den Autor ist die Beurteilung des Wieviels so schwer, weil er seine Geschichte und die versteckten Informationen darin kennt. Darum ist hier die Rückmeldung von Kritikern bzw überhaupt von unabhängigen Lesern der wichtigste Anhaltspunkt, um das richtige Maß zu finden. Dabei ist die Einbeziehung der Zielgruppe für die eigene Beurteilung und Auswertung der Kritiken unbedingt vonnöten. Beispiel: Wer ein Buch für Kinder schreibt, kann sich nicht daran orientieren, ob Erwachsene es verstehen. Wer etwas für seine Verwandten oder Freunde schreibt, muss damit rechnen, dass fremde Leser bestimmte Seitenhiebe nicht verstehen können (z.B. der Bezug auf eine gemeinsam erlebte, urkomische Situation, für die schon ein Wort genügt, um bei den Freunden einen Lachanfall auszulösen).
Entspricht die Zielgruppe nicht dem Publikum im jeweiligen Forum ist es übrigens sehr empfehlenswert, diese auch anzugeben.


Unnötiges entfernen:

Darunter zählt alles, was sich inhaltlich doppelt (siehe auch im (E) Leitfaden - Wiederholungen) und was für die eigentliche Geschichte keinen Nutzen hat. Das können Szenen sein, die weder die Handlung vorantreiben, noch jemanden vorstellen/charakterisieren – also Szenen ohne die die Geschichte nichts verlieren würde. Aber auch unnötige Beschreibungen fallen darunter.
Negativbeispiel: Stellt euch vor, in den Harry Potter-Romanen würde die Kleidung jeder noch so unwichtigen Figur haarklein beschrieben, einschließlich der Unterwäsche.

Frage Dich also: Welchen Sinn hat diese Szene? Welchem Zweck soll sie dienen? Wie wirkt die Geschichte ohne sie?

Ein wichtiges Mittel, um Weglassungen zu realisieren, sind Zeitsprünge. Wenn Du einen Film anguckst, dann achte mal darauf, wie oft solche Zeitsprünge erfolgen. Das geschieht wahrscheinlich wesentlich öfter, als Du es Dir zuvor dachtest. Sie erscheinen dem Konsumenten so natürlich, dass er sie gar nicht mehr bewusst erlebt. In Büchern ist das nicht anders. Da wird nicht jeder Toilettengang erwähnt, Ortswechsel erfolgen, ohne jede Fahrt zu beschreiben, Gespräche starten mittendrin und werden noch vor dem „Auf Wiedersehen“ verlassen.
Wer ein waches Auge hat, wird sich sicher schon einmal gewundert haben, warum in vielen Serien (vor allem in amerikanischen) nach Telefonaten aufgelegt wird, ohne sich zu verabschieden oder warum geöffnete Türen selten wieder geschlossen werden. Es ist einfach unwichtig und den meisten Zuschauern fällt es überhaupt nicht auf. Geschichten sind in ihrer Erzähltechnik sehr ähnlich gestrickt.
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Re: [Epik] Leitfaden - Die Kunst des Weglassens

Beitragvon Jayjeerawat » Mo 16 Okt, 2017 12:43


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