Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

[o.T.] verdrehe deine perlenketten...

Beitragvon jule » So 09 Mai, 2010 01:33


verdrehe deine perlenketten
nicht dass du erstickst an der
enge mich ein
-------------------mal mit paste
leichte linien gewunden um
randsekunden zu verstecken

komm, nimm die salzsteine
mit teelicht und gieße weiße
schatten
------------spiele um geld oder
liebe mich bis morgen früh
deine gemälde zerbröckeln
jule
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Re: [o.T.] verdrehe deine perlenketten...

Beitragvon Antibegone » Di 11 Mai, 2010 18:22


Huhu jule :)

Als ich dein Gedicht gesehen habe, war ich erst mal neugierig, was für eine du eigentlich bist. Viel hast du hier ja nicht gepostet, nicht mal nen Vorstellungsthread gibt’s von dir. Dann bin ich auf den Gedicht „[o.T] wünsche dir wasser...“ gestoßen. Ich muss gestehen, mit diesem als solches konnte ich wenig anfangen, die Diskussion war interessant, auch wenn sie irgendwann über deinen Kopf hinweg verlief, lach. Das bringt mich eigentlich schon ins Hier:

Ja, die Enjambements... du bist gut darin. Auf jeden Fall. Du kannst noch viel mehr. Du schaffst einen ungeheuren Fluss. Ja, das Gedicht liest sich einfach sehr klangvoll, einige deiner Worte können auch in mir „bleiben“, hinterlassen einen Eindruck. Selbst formal greifen ja deine Strophen unglaublich ineinander über, dadurch, dass du die in der oberen Strophe den Vers im Grunde abbrichst und dann durch Einrückung in der nächsten weiterführst. Das ist dir auch gelungen und ich mag das. Besonders eindrucksvoll finde ich auch dein Bild der verdrehten Perlenkette, da kann sich der Leser gar nicht gegen eine Assoziation wehren. Das „einengen“ wird wunderbar darauf bezogen und in Einklang gebracht.

Du merkst vielleicht, dass bei mir gerade ein gewisses „aber“ mitschwingt. Es passt einfach alles nicht zusammen. Du benutzt wunderschöne Elemente, die zeigen wie elegant du auch mit Sprache spielen kannst. Aber Sprache, Form und Inhalt gelingen dir nicht als Einheit.

Die Bilder sind wahllos. Du beginnst mit einer Perlenkette, die verdreht ist, deren Schnüre sich um jemandes Hals legen, das fügt sich ein in eine Beziehung, die in der „Enge“ lebt. („enge mich ein“). Unvermittelt springst du. Es geht plötzlich um eine paste, wobei mir vollkommen schleierhaft ist, was du meinst – um linien und randsekunden. Das letztere Wort gefällt mir: Zeit, die am Rande statt findet, die nicht „so ganz da“ ist. Womöglich kann ich das auch auf die Beziehung hindeuten. Gleichzeitig aber eben das über„malen“, „verstecken“, vielleicht eine Art Verdrängung der „Enge“. Gut, inhaltlich kann ich mich hier der Spekulationen bedienen und Verbindungen schlagen. Aber: Auf der Bildebene vollziehst du einen Bruch. Wo ist die Perlenkette hin? Okay, okay, vl. Das fällt mir auch ein - spielst du darauf an mit den „linien“, ich könnte ja die Schnüre einer Kette als Linien betrachten. Das gibt meine Fantasie noch her, hehe. Dann beginnst die irgendwie einen Schwenk zur „Tischdeko“ zu unternehmen. Hier hört es dann echt auf. Ja, also für mein Empfinden haben Salzsteine und Teelichte keine Verbindung zu jeglichem, was du vorher geschildert hast. Okay, hier werden Schatten gegossen, hat vielleicht etwas von „Blei gießen“, das gefällt mir sogar, eine Andeutung eben in eine „gegossene“, vielleicht auch verschlossene Perspektive, in der sich die Beziehung befindet.

Ich bleibe jetzt hier kurz noch einmal stehen, weil die letzte Strophe noch ein anderen Spezifikum zu haben scheint. Ich habe versucht aufzuzeigen, wie jede Strophe sich einer anderen Ebene bedient. Du springst wahllos in diesen. Das kann ein Stilmittel sein. Der Bruch ist ja nichts, was von sich aus nicht wirksam sein kann. Aber: Wie passt das zu der Flüssigkeit deiner Sprache, deiner Form? Klar, du kannst argumentieren: Hör mal zu, Traumi, ja, du verstehst das falsch, auch diese Diskrepanz ist gewollt. Ich sehe dafür nur keinen Grund. Dein Gedicht hat etwas Einfühlsames, Flüssiges – warum weigerst du dich, die Bilder dementsprechend zu gestalten? Warum diese Sprünge? Hm, selbst wenn sie gewollt sind: Es kommt bei mir nicht an. Es sieht für mich nach Willkür aus. Vielleicht wolltest du das alles: Aber was hast du davon, wenn es nicht ankommt? Natürlich kann ich nicht für jeden sprechen, sondern nur für mich, aber vielleicht kannst du ja in der Betrachtung „mit mir gehen“ und wenigstens sehen, worauf ich hinaus will.

So, die letzte Strophe. Ja, die ist ein Problem. Hier sehe ich durchaus einen gewollten Bruch, sie wirkt härter („geld oder liebe“, diese Präsentation der Alternativen hat etwas Kaltes, Berechnendes), hat etwas Zerstörerisches (durch das „zerbröckeln“). Es ist ein sprachlicher Bruch zu der einfühlsamen, warmen Art deiner zuvor gebrauchten Sprache. Aber wie kann dieser Widerspruch denn wirken, wenn du vorher keine Einheit darstellen kannst? Inhaltlich erschließen sich mir hier durchaus Verbindungen. Die Erwähnung von Finanzen zusammen mit der Perlenkette, eine materielle, äußere Sicht innerhalb der Beziehung. Der Wunsch „liebe mich bis morgen früh“ - die Leichtigkeit der Liebe, ihre Einfachheit dem und der Enge gegenüber. Gleichzeitig aber das „foreshadowing“, das Unheilvolle, das „Bröckeln“, was sagt: Der Wunsch kann nicht erfüllt werden.

Aber warum benutzt du gerade im „flüssigen Teil“ keine zusammenhängenden Bilder? Du könntest den Kontrast so schön zur letzten Strophe zur Geltung bringen. So bleibt es nur eine „willkürliche Sammlung von Wortspielen, Halbgedichten, die kein Ganzes sein können“. Und das ist schade.

Vielleicht kannst du ja etwas mit meinen auch nicht sehr zusammenhängenden Gedanken anfangen ;)

Herzliche Grüße,
das Traumi
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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