Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

Das Meer, das Schiff und der Sturm

Beitragvon Punktrix » Do 29 Jan, 2009 22:21


Ich stand an den Klippen
Zum brausenden Meer
Auf den Wellen sprang ein Schiff
Oder tanzte es vielmehr ?

Auf dem wackeligen Deck
Rannten Matrosen auf und nieder
Sie schrien aus ihren Leibern
Oder sangen sie ihre Lieder ?

Ich sah wie der Mast brach
Und in die Fluten fiel
Das Schiff war am Rotieren
Oder spielte es ein Spiel ?

Rauer Sturm und wütend Meer
Schlangen auf des Schiffes Rest
Oder trugen sie nur Masken
Und luden ein zum Fest ?
"Mein Herz war Armor´s Clou, mein Herz - das warst du."
Punktrix
Neu
Neu
 
Beiträge: 3
Registriert: Mi 28 Jan, 2009 10:16
Eigene Werke
 

Re: Das Meer, das Schiff und der Sturm

Beitragvon blaue_Raupe » Fr 30 Jan, 2009 17:02


Hallo Punktrix.


Zu deinem Ersten hier (es ist dein Erstes im lifo?) ein paar Beobachtungen und Leseweisen. Die werden sich in der Hauptsache an formaler Gestaltung, Ausdruck und somit in Stücken am Inhalt orientieren.
Das Erzählen entstammt ja einer Beobachtungsposition eines Sprechers, der einem Kampf zwischen Naturgewalt und Menschenbesatzung auf dem Schiff erwischt, um ihn aufzuzeichnen.
Was ganz gut geglückt ist, ist, den Leser dem Fortschreiten folgen zu lassen, auch in der Wiederaufnahme von einzelnen Bildsequenzen, in dem Fall ohne erklärende Metaeinsprengsel, die man je nach Gestaltung als störend hätte empfinden können.
In Ausdruck & Gestaltung hingegen aber weniger sicher … in manchen Versen wirkt es, als hättest du den Gedanken ausschließlich auf ein Versende gelegt, angepeilt, „wie viele Silben bis zum Schluss noch fehlen“ und aufgefüllt, ohne auf die kleineren Elemente zu achten, die ich als Leser auf dem Weg zu lediglich einem der tragenden Begriffe, den Reimträgern und Assonanzen, zu mir nehme.
Das aber noch mal an den Stellen, an die ich dabei denke. Vielleicht hat letztlich auch diese starke Finalkonzentration dazu geführt, dass die Lese- und Lautfarbe eines gesamten Verses, und dann das Zusammenspiel im Lesen eines Verspäckchen bis hin zur Strophe und zum Gesamttext etwas gelitten hat.


[size=85:2axrrgpv]Ich stand an den Klippen
Zum brausenden Meer
Auf den Wellen sprang ein Schiff
Oder tanzte es vielmehr [keine Leerzeichen vor Satzzeichen] ?[/size]
~
Eine Disposition, okay … was ich nett fand: der Schlussfaden in S4 nimmt letztlich das Tanzen wieder auf, mit der Unklarheit, ob es Fest oder Todeskampf ist, und es zieht sich jeweils durch die vierten Verse. Kann man machen.
Wenig gefällt der Ausdruck in V3, in „Wellen“ und „sprang“, da hätte eine etwas klarere Zeichnung den Kontrast zu V4 besser tragen können. „Wellen“ ist recht neutral, wenn’s stürmt, „sprang“ geht zwar, antizipiert aber nicht so viel Negatives, wie man annehmen könnte.
Der Bruch gesetzt aus der metrischen Gestaltung zwischen V2 und 3 / 4 ist reichlich hart, andererseits im Grunde angebracht und nicht fehl im Fokuswechsel und der inhaltlichen Dynamik.
Trotzdem wäre sicher nicht falsch, sich mit metrischer Gestaltung, Vers- und Textaufbau mal näher zu beschäftigen, um die Wirkung der Stücke besser steuern zu können.


[size=85:2axrrgpv]Auf dem wackeligen Deck
Rannten Matrosen auf und nieder
Sie schrien aus ihren Leibern
Oder sangen sie ihre Lieder ?[/size]
~
Heikel im Ausdruck: „auf dem wackeligen Deck“. Hm. Es ist nicht das Deck wackelig, wie die Anzeigescheibe eines Kompasses, das Deck als einzelnes Element ist unbeweglich und „wackelt“ bloß mit dem Schiff.
Was man im Rahmen der Situation zumindest abnehmen kann, ist, dass aus der Ferne und im Getöse schlecht auszumachen ist, ob geschrien wird oder Lieder gegrölt werden. Hingegen … „schrien aus ihren Leibern“? Das wäre eine Stelle, deren Formulierung ich als notdürftige Füllung betrachte. Inhaltlich redundant, und auch sehr ungelenk formuliert, nicht zuletzt auch durch das gedoppelte „ihren“.


[size=85:2axrrgpv]Ich sah wie der Mast brach
Und in die Fluten fiel
Das Schiff war am Routieren
Oder spielte es ein Spiel ?[/size]
~
Ähnlich: „das Schiff war am Rotieren“ (ohne ‚u’). Slang schön und gut, aber in einem lyrischen Text, der ansonsten nicht mit Umgangssprache spielt, wirkt es eher unfreiwillig komisch, wie „da fing dat Schiff plötzlisch bedenklisch am Wackeln“.


[size=85:2axrrgpv]Rauer Sturm und wütend Meer
Schlangen auf des Schiffes Rest
Oder trugen sie nur Masken
Und luden ein zum Fest ?[/size]
~
Huh. Schlangen? Die Symbolik trifft mich nicht richtig, zumal Schlangen keine Aasfresser und auch ansonsten wenig in der Seefahrt mit von der Partie sind.
Als überlieferte doppelzüngige Verführer, gern auch mal hin zum Verderben, kann ich sie einer desolaten Situation zuordnen, aber dieser?
Laut Syntax trugen zudem die Schlangen Masken, was mich im Kontext auch nicht zusätzlich erhellt.
Der Kampf findet zwischen Mensch und Naturgewalt statt, das Meer siegt letztlich, so dass letztlich kein Mittler mit gespaltener Zunge irgendwas vorantreiben oder beschleunigen müsste, geschweige denn, sich mühsam hinter Masken verbergen.

Soweit ein paar Anmerkungen zu den einzelnen Stücken. Am abschätzen der Setzung und Wirkung läge noch Arbeit, vor allem in kleinen Elementen eines Textes, in dem doch jedes Wort einbezogen wird, auch die scheinbaren „Mitgeher“ auf dem Weg zu einer Struktur.

Viel Gruß,
r~~~
you cannot unscramble scrambled eggs.[links:3fqyydm7][/links:3fqyydm7]
blaue_Raupe
Etabliert
Etabliert
 
Beiträge: 382
Registriert: Mi 10 Sep, 2008 23:16
Eigene Werke
 

Zurück zu Strandgut

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron