Lyrik rund um das Thema Liebe

Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Didymus » Di 03 Feb, 2009 16:47


Mit Rosen will ich dir heut sagen
„Ich liebe dich !“
und will dich all sogleich auch fragen
„liebst du auch mich ?“

Es ist schon ziemlich lange her –
weißt du es noch ?
Die einstigen Rosen gibt ’s nicht mehr –
die Liebe doch !

Es schwanden rasch die Frühlingstage
es schwand der Mai –
und wenn ich nach der Jugend frage ?
sie ist vorbei !

Dahin ging auch die Sommerzeit –
erinnre dich !
Nun liegt auch die schon sehr, sehr weit –
und fragst du mich

Ob ich nur einen Tag der Zeit bereute,
dann sag ich dir,
ein jeder Tag mich stets erfreute,
warst du bei mir.

Nun ist der Herbst ins Land gekehrt –
O holde Zeit,
die uns ein stilles Glück beschert –
ein Glück zu zweit !

Und wenn verblüht die Herbstzeitlosen,
nun dann – Ade !
Und schmückt mein Grab mit roten Rosen,
wenn ich einst geh …

© whp
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Ruelfig » Di 03 Feb, 2009 18:49


Hallo Didymus,
willkommen hier. Erste, spontane Rückmeldung: dein Gedicht ist unverschämt sentimental, kitschig, emotional und gefällt mir sehr. Sich so etwas zu trauen und es dann in eine solch "konservative" Form zu bringen, dazu gehört schon einiges an Mut und hmm, Beharrungsvermögen?
Trotzdem, beim zweiten Lesen fällt mir einiges auf, an dem ich meckern könnte, möchte (ohne das ganze in Frage zu stellen):
„Ich liebe dich !“ (Leerzeichen weg)
und will dich all sogleich auch fragen - all sogleich ist zu Retro. gleiches fragen vielleicht?
"Die einstigen Rosen gibt ’s nicht mehr", da habe ich metrische Probleme. "gibt es" vllt?
"Es schwanden rasch die Frühlingstage
es schwand der Mai –", da gibt es kaum Rosen, die blühen eigentlich erst ab Juni. Heutzutage gibt es natürlich ganzjährig Blüten aus aller Welt, aber hier sollten sie doch selbstgepflückt sein. Vllt sowas wie:
"Es schwanden frühh die Sommertage
kurz nach dem Mai"?
Dann, um dem Kalender zu entsprechen:
Dahin ging auch des hohen Sommers Zeit (Sommerzeit ist so profan).
"Und fragst du mich" bedingt "bereue", sonst hast du einen Zeitenwechsel. Vllt" und fragtest du mich ob
ich einen Tag der Zeit bereute".
Insgesamt finde ich dies schön als Verdichtung eines ganzen Lebens, in Gemeinsamkeit verbracht, eines Ideals, eines Traums.
LG,
R
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Drehrassel » Di 03 Feb, 2009 19:10


[quote="Ruelfig":36jrnv0h]
"Die einstigen Rosen gibt ’s nicht mehr", da habe ich metrische Probleme. "gibt es" vllt?[/quote]

der fomale bau dieses gedichtes ist: strophen von je vier verszeilen, kreuzgereimt - mit freiheiten in der kadenz (mal stumpf, mal klingend in der sowohl jeweils ersten und dritten, als auch jeweils zweiten und vierten zeile). metrisch: jambus, wobei jeweils vierhebig in den verszeilen 1 und 3, zweihebig in 2 und 4.

die von dir, ruelfig, angesprochene verszeile ist die einzige, welche über eine doppelte senkung verfügt. soweit richtig! der autor hatte hier zwei möglichkeiten, diesem problem zu begegnen, nämlich entweder in "einstigen" ebenso eine elision vor zu nehmen (wie ja auch in "gibt 's" in der selben zeile, hier genauer: eine aphärese), also "einst'gen" zu formulieren, oder eben eine freie füllung ein zu streuen. - beide vorgehensweisen sind bekannt und durch die literaturgeschichte hindurch oft zur anwendung gekommen. viele autoren der moderne neigten dazu, statt einer elision sporadisch freie füllungen zu benutzen, wenn das grundsätzliche schema dabei unmissverständlich und klar erkenntlich blieb.

als beispiel eine strophe aus franz werfel "Geistige Freude":

"Es ist in einer unbekannten Frühe,
da letzter Stern anwächst zu riesigem Schein.
Gewaltige Eos kommt. Das Werk der Mühe,
Kasernen und Fabriken krachen ein."

dieses gedicht ist eindeutig konzipiert als jambischer pentameter, TROTZ der eingesteuten freien füllung (doppelten senkungen)

dein vorschlag aber, ruelfig würde das oben von mir beschriebene schema aber dann doch zu sehr verändern, da ich annehme, didymus ging es wohl schon darum, seine form streng zu behandeln.

gruß
rassel

edit: halt! ich sehe gerade: es gibt auch einen fünfhebigen vers, auch jambisch - "ob ich nur einen tag der zeit bereute" -
nun, ja...
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Ruelfig » Di 03 Feb, 2009 19:31


In Erwartung weiterer edits starte ich ein Friedensleseangebot: ja doch, das geht. Einst'gen muss nicht sein. Ich les es halt nur laut, ohne den Geisterchor, von dem ich Ahnung hab zu wenig.
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Drehrassel » Mi 04 Feb, 2009 19:04


[quote="Ruelfig":1jx0ujld]Ich les es halt nur laut, ohne den Geisterchor, von dem ich Ahnung hab zu wenig.[/quote]

ja, darum genau geht es, ruelfig... mir ist es einigermaßen verdächtig, warum dir genau diese eine zeile irgendwie "unrhyhtmisch" vorkommt oder du meinst, hier werde auf jeden fall ein versmaß verletzt. - an ganz anderer stelle in diesem forum beschrieb ich, weshalb ich mich darüber amüsierte, dass es ausgerechnet immer (oder zumindest sehr oft) alternierende maße sind, welche als "rhythmisch", "gelungen" oder auch nur ganz simpel als "schön" empfunden werden. dabei haben wir in der deuschsprachigen lyrik - abgesehen von antikischen versen und/oder metren mit regelmäßiger doppelter senkung - ebenso eine sehr umfassende sammlung von z.b. volkslied-versen, welche nur über das anzahl ihrer hebungen definiert sind, zwar zur alternation neigen, aber grundsätzlich immer wieder freie füllungen von (nicht regelmäßigen!) doppelten senkungen aufweisen. auch die kadenzen sind oft ohne erkennbares muster unterschiedlich ausgeprägt. sogar die verseingänge können variabel gestaltet sein! - ich brauche ja wohl kaum erklären, was das bedeutet für die möglichkeiten verschiedenster "stauungen" und wieder "beschleunigungen" an wichtigen stellen der gedichte, was das bedeutet zum beispiel hinsichtlich unregelmäßig synaphischer (gefugter) oder asynaphischer (ungefugter) übergänge von einem vers in den andern... alles kann da also vorkommen, hebungsprall, doppelte senkung oder auch fugung (alternation über den versaus- bzw. eingang hinaus), und das noch ohne jedes muster, wiederkehrendes regelmaß. -

beispiel:

unbekannter verfasser, 1563

"Zwischen zweyen burgen
da ist ein tieffer See;
auff der einen burge
da sitzet ein edler Herr.

Auff der andern burge
da wohnt ein Junckfraw fein;
sie weren gern zusammen,
ach Gott, möcht es gesein!"


(rechtschreibung und orthografie: keine tippfehler!)


edit: ich verstehe nicht, was dich an meinen editierungen stört. in der regel behebe ich damit nur einige rechtschreibfehler und ergänze höchstens mal hier und dort eine kleinigkeit, die meine grundsätzlichen aussagen aber nicht wesentlich verändert. (es sei denn, ich editiere, um zu löschen :D ).

edit2: und was den "geisterchor" anbelangt, von welchem du "hast zu wenig ahnung" - : dafür gibt es ja mich! :)

edit3: und wenn du mir jetzt kommst mit, z.b.:"aber ey rassel, du sagst ja selbst, dass es nur diese eine zeile ist, in welcher didymus diese eine abweichung vom ansonsten stur durch gezogenen versmaß bringt!" - dann... dann muss ich mich allerdings geschlagen und dir einfach nur mal recht geben. :D
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Ruelfig » Mi 04 Feb, 2009 20:14


Hallo Drehrassel (wir kriegen bald Bescheid wg back to topic), ich bin ein großer Fan von Synkopen, wenn sie denn passen. Auch Pausen, Verschleifungen, alles prima. Hier schien mir nun ein Problem vorzuliegen, an der Stelle ein Bruch, wozu? Vielleicht, um kurz innezuhalten, die Vergänglichkeit zu betonen? Gut, so kann ich das lesen und danke dir für deine ausführlichen Ausführungen. Verletzungen von Versmaßen bereiten mir keinerlei Probleme, es sei denn, sie störten.
Nun wäre ich aber auch mal gespannt auf eine Antwort des Schreibers.
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Re: Es war eine schüne Zeit

Beitragvon Didymus » Do 05 Feb, 2009 15:01


Hallo,
lieber Ruelfig,
lieber Drehrassel,

ich danke Euch – eine derartige Reaktion habe ich nicht erwartet. Es freut mich außerordentlich, dass ich anlässlich Eures Disputs Gelegenheit habe, etwas hinzuzulernen.

Wenn ich Lyrik schreibe, geschieht das zunächst einmal rein emotional, wobei die Feinheiten des sprachlichen Aufbaus, der Metrik und Stilmittel zunächst hintan gestellt werden. Erst in der Überarbeitung fließen Überlegungen ein, inwieweit der textliche Inhalt mit dem Aufbau des Gedichtes, bzw. den Geflogenheiten Kunst des Schreiben in Einklang steht, bzw. zu bringen ist.

Bisweilen verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl und ändere den Text nur unwesentlich. Da passiert es schon mal, dass einem ein Lapsus unterläuft, selbst bei mehrmaligem Korrekturlesen, wie beispielsweise bei diesem Gedicht in St. 2/V.3 – da sollte es nicht heißen: „einstigen“ sondern: „einst’gen“ also mit Apostroph geschrieben – wenn ich es so lese, stimmt die Metrik.

Auf die Gänsefüßchen in St.1/V.2u.4 könnte verzichtet werden. Dieses „all sogleich auch“ ist m. E. nicht retrospektiv, allenfalls reflexiv, doch zugegeben, es klingt ein bisschen ungewöhnlich und ließe sich beispielsweise ersetzen durch „gerne gleiches“ oder ähnlich.

„die einst’gen Rosen“ in St.2 verstehen sich, wie die verschwundenen „Frühlingstage“ und der ebenso dahin gegangene „Mai“ in St.3 als Metaphern zur Vergänglichkeit einst blühender Jugend, grad so wie in der Romantik die vier Jahreszeiten mit dem Lebenszyklus in Verbindung gebracht wurden.

In St.5/V.1 handelt es sich in der Tat um ein Pentameter, doch weil jambisch – wie Du (Drehrassel) zu recht feststellst, sehe ich darin keinen gravierenden Stilbruch. Andererseits lässt sich dieser Vers auch dem übrigen Versmaß anpassen, indem ich auf „der Zeit“ fehlen lasse, doch damit ginge der eindeutige Bezug auf die gesamte „gemeinsame Zeit“ verloren.

Zur Mehrfach-Editierung:
Ich sehe darin auch kein Problem. Mir passiert es sehr oft, vor allem, wenn ich den Text direkt schreibe. Ich ärgere mich zwar darüber, doch ist es besser, ich korrigiere die Tipp- oder Flüchtigkeitsfehler, als dass der Leser herumrätselt, was das eine oder andere Wort bedeuten soll.

So nun danke ich nochmals recht herzlich und freue mich schon auf weitere konstruktive Kritiken.

Liebe Grüße
Didymus
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