Gedichte, die gesellschaftliche oder politische Themen behandeln

das los des lokführers

Beitragvon Perry » Do 23 Feb, 2012 15:49


immer auf gleicher
strecke unterwegs
zu den selben zeiten

immer kürzer
der zug geringer
die zahl der reisenden

macht ihn einsam
lässt er den schalter los
ist er so gut wie tot
Zuletzt geändert von Perry am Do 23 Feb, 2012 17:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: das los des lokführers

Beitragvon rivus » Sa 25 Feb, 2012 10:27


hallo perry,
ja. zunächst dachte ich. das ist dünn. weitweg vom trampabenteuer jack londons.

im zweiten lesen, hier in der region gibt es genug arbeitslose lokführer, lokführer in existentieller mehrnot, weil sie ihrer seele mehrfach beraubt wurden, finde ich langsam zugang zu deinem schmalen text.

einen alten baum verpfanzt man nicht mehr: die alte uhr tickt nach ihren eigenen gesetzen und doch: der zahn der wirtschaft, die unsichtbare hand eines ricardo smith, macht strecken, zeiten, menschen kürzer. die angst solchermaßen im nacken, bleibt der feuchtwangerische griff, "wenn es hart auf hart kommt, ist man allein" am schalter. also, ich sehe das einsame sterben am schalter. die angst vorm loslassen, weil mehr als das eine leben losgelassen werden müsste ...

grüße, liebe



eine nachkritik. der titel ist zu offensichtlich. auch die letzte zeile. genau dies ist ja das thema und es könnte durch die zeilen davor beschrieben, auch in der letzte zeile durch eine anderes bild ersetzt werden. sodass man herausliest, dass der lokfüher so gut wie tot ist, wenn er den schalter loslässt.
Zuletzt geändert von rivus am Sa 25 Feb, 2012 11:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: das los des lokführers

Beitragvon Perry » So 26 Feb, 2012 13:30


Hallo rivus,
danke für dein Lesen zwischen diesen (absichtlich) schmalen Zeilen. Der Titel ist notwendig, um den minimalisierten Bildern eine Bühne zu geben. Der Schluss verbindet vergleichend die Tätigkeit des Lokführers (Bedienen des Totmannschalters) mit der Arbeitsplatzproblematik. In der übertragenen Ebene ist es auch als immer leerer werdender Lebenszug und die Schwierigkeit des Loslassens interpretierbar.
LG
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