Die Sehnsucht des Schmetterlings
Verfasst: Sa 05 Dez, 2009 16:00
Sie wollte ihn an beiden Schultern packen, schütteln und ihm zu rufen:“ Wach auf! Du verlierst mich! Du verlierst uns! Siehst Du das denn nicht? Was habe ich denn noch für Alternativen, als den Schritt zu gehen den Du nicht gehst! Du treibst mich ja dazu! Bitte, So merk doch endlich, auf welchen Abgrund wir treiben!“
Sie liebte ihn und hasste ihn für seine Einfältigkeit, seine Naivität mit der er sich zu schützen glaubte, aber sich mehr und mehr in seinem eigenen Konstrukt aus Lügen und antrainierten Verhaltensweisen verspann. Gleich einem Insekt, das in einem Spinnennetz gefangen, sich in Todesangst versucht, aus seinem Schicksal zu befreien, in dem es um sein Leben strampelt, um seinem Häscher zu entkommen. So Insektengleich strampelte, manövrierte er, nur um sich von Versuch zu Versuch tiefer in sein Schicksal zu verstricken. Und je mehr sie versuchte, ihn am zappeln zu hindern und ihn dazu zu bringen, das Netz seiner Mutter-Spinne einfach zu zerreißen, um so mehr bewegte er sich in seiner Hilflosigkeit und verdrehte sich immer weiter, bis er ganz wie ein kleiner, gefangener Schmetterling von einem Spinnenkokon umfangen war. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihn seine letzten Kräfte verlassen würden und er zusammensinken und nur noch leblos hängen würde. Was sollte sie tun? Ihn vor lauter Wut hängen lassen? Einfach weiter gehen? Ihn weiter antreiben und riskieren dass er nicht die Möglichkeit fand, das Netz zu zerreißen und sich dabei endgültig aufhängte? Oder warten und hoffen? Warten und Hoffen! Ein halbes Leben hatte sie gewartet und gehofft. Sie war es so leid. Sie hatte so lange darauf gewartet, dass er aus eigener Kraft das Netz zerreißen und seine Flügel zu ganzer Pracht spreizen würde. Und dann wäre sie mit ihm davon geflogen. Weit weit weg. Dahin, wo sie niemand kannte. Wo sie sein konnten, wer sie wollten. Wo sie Luft, Liebe und Kraft tanken würden, um sich für die kommende Zeit zu wappnen und zu stärken. Und jetzt zweifelte sie, ob sie nicht den Zeitpunkt, an dem es Zeit war zu fliegen, um den ganzen Nektar des Lebens in sich aufzusaugen, verpassen würde, wenn sie noch weiter auf ihn wartete. Jedoch- tat sie es nicht, soviel war gewiss, wenn sie jetzt für immer ging, so würde die Spinne ihn mit Haut und Haaren verspeisen. Oder sie würde vielleicht gerade noch so viel von ihm übrig lassen, das es ihm gestattet wäre, in ihrer Welt zu leben. Halb zerschunden und unter dem Eindruck der erlittenen Niederlage nach einem Strohhalm suchend, damit beschäftigt, sich in sein neues Leben zu ergeben und Gefallen an dem Leben einer Spinne und an dem spinnen ihrer Fäden zu finden. Mit gebrochenem Herzen, wohl bewusst der eigenen Verlorenen Schönheit und der Fähigkeit, den Spann der eigenen Flügel durch ein kurzes flattern und Aufplustern zu spüren, sich selbst einredend, dass das einzig wahre Leben schon immer das der Spinne in ihrer dunklen Höhle gewesen sei. „Was ist schon besonders am Nektar des Lebens, wenn man mit der Spinne in einer Höhle sitzen kann. Nektar ist ja mal ganz nett, aber eben nicht von Dauer. Außerdem ungesund, unbeständig, und es verleitet einem zum Leichtsinn. Eine Höhle dagegen, das ist beständig.“ So würde die Spinne es ihm einflüstern. Ganz rationale Gründe, gegen die nichts einzuwenden war. Nicht für jemanden, der nicht fliegen konnte, dem es schwer fiel oder für den es anstrengend war, der sich schämte, seine Flügel zu spreizen, weil er sie für zu klein und unansehnlich hielt. Für so jemanden war das sichere Leben einer Spinne in ihrem Bau, die nur auf unbedarfte vorbeiflatternde Insekten zu warten brauchte, sicher von Vorteil. Träume von der Welt, von dem Nektar aus jeder Blume zu trinken und sich an ihren unterschiedlichen, wunderbaren Aromen zu berauschen, das war eben ein Traum. Ein schöner Traum, aber eben auch nicht mehr als das. Rational war es jedenfalls nicht. Es lag an ihm, sich zu entscheiden, ob er sich trauen wollte, zu fliegen oder nicht. Ob er sich trauen würde, das wärmende, rationale Netz der Spinne zu zerschneiden, oder nicht. Wie auch immer er sich entscheiden würde, das wusste unser zerrissener kleiner Schmetterling, der nichts tun konnte, als abzuwarten, SIE SELBST konnte nur zurückkommen und nachsehen, wie es ihm erging und ihm vor Augen zu führen, dass es außerhalb der Höhle noch etwas gab. Sie selbst konnte nichts tun als rauszufliegen und den Nektar in vollen Zügen zu trinken und den Kontakt zu den Spinnen dieser Welt zu vermeiden. Vielleicht würde er folgen und vielleicht nicht. Je weiter sie weg fliegen würde, umso größer würde die Distanz zwischen beiden werden. Diese Angst hielt sie zurück. Es ließ sie daran zweifeln, dass es das einzig richtige war, den Nektar aufzusaugen, solange ihr Sommer dauerte. Es zeriss sie. Es war so unfair, dass sie NICHTS WEITER TUN KONNTE. Wie gerne hätte sie ihm einen Mund voll ihres eigenen Appetits auf Nektar abgegeben, der seine Wirkung auf keinen Fall verfehlte, der alle Stricke dieser Welt zeriss und einen nichts weiter tun ließ, als mit voller Brust hinauszurufen: „Welt, hier bin ich, lass Dich umarmen, Geliebte!“ Nur fand sie keinen Weg, ihm diesen Appetit einzuflößen. So sehr sie es auch versuchte, ihm wurde nur schlecht. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sich der eigene Appetit nur durch den Mut entwickelt, zu probieren und zwischen guten und schlechten Geschmäckern nach eigenem Befinden zu unterscheiden. Das musste er selbst tun. Sie konnte ihm nicht helfen. Sie musste sich ein Herz fassen, ihre eigenen Flügel zu voller Größe auffalten, und fliegen. „Leb wohl, mein Liebster!“ rief sie ihm zu. „Von Zeit zu Zeit werde ich zurückkommen und nach Dir sehen. Du weißt, wenn Du mich suchst, Du wirst mich bei den schönsten Blumen finden. Bei denen, die nach Leben duften. Ich liebe Dich! Ich hoffe, Du findest Deinen Weg zu mir!“ Das sprach sie, hob ab und verließ die Höhle. Die Sonne stand bereits niedrig. Ihre Tränen fielen nieder und hinterließen wo sie flog, eine Spur auf dem erdigen Boden unter ihr. Vor ihr lagen die Blumenfelder, die ihren Abendduft verströmten.
Sie liebte ihn und hasste ihn für seine Einfältigkeit, seine Naivität mit der er sich zu schützen glaubte, aber sich mehr und mehr in seinem eigenen Konstrukt aus Lügen und antrainierten Verhaltensweisen verspann. Gleich einem Insekt, das in einem Spinnennetz gefangen, sich in Todesangst versucht, aus seinem Schicksal zu befreien, in dem es um sein Leben strampelt, um seinem Häscher zu entkommen. So Insektengleich strampelte, manövrierte er, nur um sich von Versuch zu Versuch tiefer in sein Schicksal zu verstricken. Und je mehr sie versuchte, ihn am zappeln zu hindern und ihn dazu zu bringen, das Netz seiner Mutter-Spinne einfach zu zerreißen, um so mehr bewegte er sich in seiner Hilflosigkeit und verdrehte sich immer weiter, bis er ganz wie ein kleiner, gefangener Schmetterling von einem Spinnenkokon umfangen war. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihn seine letzten Kräfte verlassen würden und er zusammensinken und nur noch leblos hängen würde. Was sollte sie tun? Ihn vor lauter Wut hängen lassen? Einfach weiter gehen? Ihn weiter antreiben und riskieren dass er nicht die Möglichkeit fand, das Netz zu zerreißen und sich dabei endgültig aufhängte? Oder warten und hoffen? Warten und Hoffen! Ein halbes Leben hatte sie gewartet und gehofft. Sie war es so leid. Sie hatte so lange darauf gewartet, dass er aus eigener Kraft das Netz zerreißen und seine Flügel zu ganzer Pracht spreizen würde. Und dann wäre sie mit ihm davon geflogen. Weit weit weg. Dahin, wo sie niemand kannte. Wo sie sein konnten, wer sie wollten. Wo sie Luft, Liebe und Kraft tanken würden, um sich für die kommende Zeit zu wappnen und zu stärken. Und jetzt zweifelte sie, ob sie nicht den Zeitpunkt, an dem es Zeit war zu fliegen, um den ganzen Nektar des Lebens in sich aufzusaugen, verpassen würde, wenn sie noch weiter auf ihn wartete. Jedoch- tat sie es nicht, soviel war gewiss, wenn sie jetzt für immer ging, so würde die Spinne ihn mit Haut und Haaren verspeisen. Oder sie würde vielleicht gerade noch so viel von ihm übrig lassen, das es ihm gestattet wäre, in ihrer Welt zu leben. Halb zerschunden und unter dem Eindruck der erlittenen Niederlage nach einem Strohhalm suchend, damit beschäftigt, sich in sein neues Leben zu ergeben und Gefallen an dem Leben einer Spinne und an dem spinnen ihrer Fäden zu finden. Mit gebrochenem Herzen, wohl bewusst der eigenen Verlorenen Schönheit und der Fähigkeit, den Spann der eigenen Flügel durch ein kurzes flattern und Aufplustern zu spüren, sich selbst einredend, dass das einzig wahre Leben schon immer das der Spinne in ihrer dunklen Höhle gewesen sei. „Was ist schon besonders am Nektar des Lebens, wenn man mit der Spinne in einer Höhle sitzen kann. Nektar ist ja mal ganz nett, aber eben nicht von Dauer. Außerdem ungesund, unbeständig, und es verleitet einem zum Leichtsinn. Eine Höhle dagegen, das ist beständig.“ So würde die Spinne es ihm einflüstern. Ganz rationale Gründe, gegen die nichts einzuwenden war. Nicht für jemanden, der nicht fliegen konnte, dem es schwer fiel oder für den es anstrengend war, der sich schämte, seine Flügel zu spreizen, weil er sie für zu klein und unansehnlich hielt. Für so jemanden war das sichere Leben einer Spinne in ihrem Bau, die nur auf unbedarfte vorbeiflatternde Insekten zu warten brauchte, sicher von Vorteil. Träume von der Welt, von dem Nektar aus jeder Blume zu trinken und sich an ihren unterschiedlichen, wunderbaren Aromen zu berauschen, das war eben ein Traum. Ein schöner Traum, aber eben auch nicht mehr als das. Rational war es jedenfalls nicht. Es lag an ihm, sich zu entscheiden, ob er sich trauen wollte, zu fliegen oder nicht. Ob er sich trauen würde, das wärmende, rationale Netz der Spinne zu zerschneiden, oder nicht. Wie auch immer er sich entscheiden würde, das wusste unser zerrissener kleiner Schmetterling, der nichts tun konnte, als abzuwarten, SIE SELBST konnte nur zurückkommen und nachsehen, wie es ihm erging und ihm vor Augen zu führen, dass es außerhalb der Höhle noch etwas gab. Sie selbst konnte nichts tun als rauszufliegen und den Nektar in vollen Zügen zu trinken und den Kontakt zu den Spinnen dieser Welt zu vermeiden. Vielleicht würde er folgen und vielleicht nicht. Je weiter sie weg fliegen würde, umso größer würde die Distanz zwischen beiden werden. Diese Angst hielt sie zurück. Es ließ sie daran zweifeln, dass es das einzig richtige war, den Nektar aufzusaugen, solange ihr Sommer dauerte. Es zeriss sie. Es war so unfair, dass sie NICHTS WEITER TUN KONNTE. Wie gerne hätte sie ihm einen Mund voll ihres eigenen Appetits auf Nektar abgegeben, der seine Wirkung auf keinen Fall verfehlte, der alle Stricke dieser Welt zeriss und einen nichts weiter tun ließ, als mit voller Brust hinauszurufen: „Welt, hier bin ich, lass Dich umarmen, Geliebte!“ Nur fand sie keinen Weg, ihm diesen Appetit einzuflößen. So sehr sie es auch versuchte, ihm wurde nur schlecht. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sich der eigene Appetit nur durch den Mut entwickelt, zu probieren und zwischen guten und schlechten Geschmäckern nach eigenem Befinden zu unterscheiden. Das musste er selbst tun. Sie konnte ihm nicht helfen. Sie musste sich ein Herz fassen, ihre eigenen Flügel zu voller Größe auffalten, und fliegen. „Leb wohl, mein Liebster!“ rief sie ihm zu. „Von Zeit zu Zeit werde ich zurückkommen und nach Dir sehen. Du weißt, wenn Du mich suchst, Du wirst mich bei den schönsten Blumen finden. Bei denen, die nach Leben duften. Ich liebe Dich! Ich hoffe, Du findest Deinen Weg zu mir!“ Das sprach sie, hob ab und verließ die Höhle. Die Sonne stand bereits niedrig. Ihre Tränen fielen nieder und hinterließen wo sie flog, eine Spur auf dem erdigen Boden unter ihr. Vor ihr lagen die Blumenfelder, die ihren Abendduft verströmten.