Hoffnung
Verfasst: Mi 21 Okt, 2015 15:01
...aus gegebenem Anlass:
Hoffnung
Die letzte Schlacht war geschlagen, der letzte Gegner besiegt. Er saß auf dem Thron der Throne, trug den Orden aller Orden, König der Welt, Magnus Maxissimus, der Größte aller Großen.
„Nicht schlecht“, dachte er bei sich, „damit hatten diese Weicheicher nicht gerechnet, dass ich mit meiner Armada den dunklen Tiefen des Wassers entsteigen und ein für allemal klare Verhältnisse schaffen würde.“ Doch obwohl auch der letzte Zipfel dieser blauen Kugel von seinen Gefolgsleuten vermeintlich beherrscht wurde, irgendwo war da noch etwas, das er nicht greifen konnte – ein Gedanke, der sich ihm immer wieder entzog. Hatte er ein Land vergessen, einen Ozean übersehen? Waren die dunklen Schatten seiner Herrschaft noch nicht in jede Ritze, jedes Eck vorgedrungen?
„Kuckuck!“ rief es da auf einmal, nicht leise, aber auch nicht laut…ein Kind, ein Junge mit goldgelocktem Haar, lugte durch den Türspalt und blickte neugierig in den Thronsaal, in dem nur wenig Licht dämmerte: „Hast Du mich vergessen?“ Verschmitzt lächelte ihn das ausnehmend hübsche Kind an, den Kopf leicht schief gelegt, die Augenbrauen nach oben gezogen.
Wie Schuppen fiel es Magnus von den Augen: „Du schon wieder? Was willst Du hier – Du bist doch erst neulich aufgetaucht, so vor 2000 Jahren – und hast ausreichend Unruhe gestiftet! Wie kannst Du es wagen, ausgerechnet in der Stunde meines größten Triumphes…“ –
„Das gilt nicht!“ rief der Lausbub mit den rosigen Wangen, „Du hast ja schon wieder gemogelt! Wir haben ausgemacht, dass wenigstens 10 Spielregeln gelten – als Minimum, wenngleich ich gerne noch eine goldene Regel oben drauf gesetzt hätte…und Du hast Dich wieder nicht dran gehalten! Darum hast Du verloren und ich bin der eigentliche Sieger! Du musst gehen und ich darf für die nächste Runde bestimmen, wie es weiterläuft!“
Magnus wand sich wie ein Aal – ja, das war es gewesen, diese 10 dämlichen Regeln, die diese kleine Landplage „Dekalog“ nannte und die er sich partout nicht merken konnte! Mist, zum aus der Haut fahren!
„Und außerdem – deine Späher haben nicht wirklich sorgfältig Ausschau gehalten: Den weisen Mann vom Berg, die Mutter, die für ihr Kind starb, der Nachbar, der für den Freund ins Gefängnis ging, der Vater, der täglich in Gedanken seinen Kindern gute Wünsche hinterherschickte, wenn sie morgens das Haus verließen – die sind aus meiner Mannschaft, ganz egal, was du tust, die hast du nicht herumgekriegt!“ sprachs und kam Magnus mit fröhlichem Gehopse näher. Doch was war das?! Mit jedem Schritt alterte das Kind, und bis es den langen Thronsaal durchquert hatte, ragte ein großgewachsener, gut gebauter Mann vor Magnus auf, mindestens einen Kopf größer und deutlich breiter in den Schultern. „Und wo wir schon dabei sind – ich komme nicht ohne meine persönliche Security, die musst du mir schon gewähren…darf ich vorstellen? Die vier Reiter hier hinter mir gehören zur ‚Last-Minute-Army‘, mein Vater hat sie handverlesen…sie werden zu euer aller Vergnügen nun eine Komposition für 4 Blasinstrumente aufführen.“
Er hatte noch nicht den Mund geschlossen, da ertönte der erste Klang – einer Posaune, und Magnus‘ Thronsaal begann in den Grundmauern zu wanken. Mit dem Posaunenstoß des zweiten Bläsers fielen die Dachschindeln herab, das Glas sprang aus den Fenstern. Beim dritten Bläser, dessen Instrument einen Sprung haben musste, so schief ertönte sein Ruf, zersprengte es alle Ketten, in die Magnus die unendliche Zahl seiner Kriegsgefangenen gelegt hatte – und schließlich, beim letzten Posaunisten angekommen, ging ein Riss durch das gesamte Gebäude, und Sonnenlicht durchflutete die dunkel-düstere Behausung.
Das war zuviel! Magnus vergaß alle Würde und Fassung und fing hemmungslos zu weinen an! Schwer ließ er sich auf seinen Thron fallen, der auch schon ganz schief stand und inmitten der Trümmer und des Chaos nur noch lächerlich wirkte: „Jedesmal das Gleiche! Ich strenge mich so an, und du wirfst alles über den Haufen! Was soll nun werden? Was kommt jetzt?“ maulte er, von Schluchzern unterbrochen.
„Nun, auf die göttliche Komödie folgt nun das Spiel der Liebe. Und lass‘ dir gesagt sein, auch weiterhin wird schärfstens beobachtet, ob du dich an die Regeln hältst, die natürlich ich wieder vorgebe – wer gewinnt, darf die neue Runde einleiten. Und damit du dir die Regeln merken kannst, belassen es wir bei einer: Hoffnung.“
Der gut gewachsene Mann drehte sich um und schritt mit hoch erhobenem Haupt, aber ohne Stolz, sondern im Einklang mit sich und seiner Schöpfung, Richtung Ausgang – und mit jedem Schritt wurde er kleiner, und jünger, und kindlicher – bis Magnus gar meinte, ein unbefangenes Lachen zu hören, ganz so, wie es Kleinkinder von sich geben, wenn sie von der Mutter gedrückt und liebkost werden…
Hoffnung
Die letzte Schlacht war geschlagen, der letzte Gegner besiegt. Er saß auf dem Thron der Throne, trug den Orden aller Orden, König der Welt, Magnus Maxissimus, der Größte aller Großen.
„Nicht schlecht“, dachte er bei sich, „damit hatten diese Weicheicher nicht gerechnet, dass ich mit meiner Armada den dunklen Tiefen des Wassers entsteigen und ein für allemal klare Verhältnisse schaffen würde.“ Doch obwohl auch der letzte Zipfel dieser blauen Kugel von seinen Gefolgsleuten vermeintlich beherrscht wurde, irgendwo war da noch etwas, das er nicht greifen konnte – ein Gedanke, der sich ihm immer wieder entzog. Hatte er ein Land vergessen, einen Ozean übersehen? Waren die dunklen Schatten seiner Herrschaft noch nicht in jede Ritze, jedes Eck vorgedrungen?
„Kuckuck!“ rief es da auf einmal, nicht leise, aber auch nicht laut…ein Kind, ein Junge mit goldgelocktem Haar, lugte durch den Türspalt und blickte neugierig in den Thronsaal, in dem nur wenig Licht dämmerte: „Hast Du mich vergessen?“ Verschmitzt lächelte ihn das ausnehmend hübsche Kind an, den Kopf leicht schief gelegt, die Augenbrauen nach oben gezogen.
Wie Schuppen fiel es Magnus von den Augen: „Du schon wieder? Was willst Du hier – Du bist doch erst neulich aufgetaucht, so vor 2000 Jahren – und hast ausreichend Unruhe gestiftet! Wie kannst Du es wagen, ausgerechnet in der Stunde meines größten Triumphes…“ –
„Das gilt nicht!“ rief der Lausbub mit den rosigen Wangen, „Du hast ja schon wieder gemogelt! Wir haben ausgemacht, dass wenigstens 10 Spielregeln gelten – als Minimum, wenngleich ich gerne noch eine goldene Regel oben drauf gesetzt hätte…und Du hast Dich wieder nicht dran gehalten! Darum hast Du verloren und ich bin der eigentliche Sieger! Du musst gehen und ich darf für die nächste Runde bestimmen, wie es weiterläuft!“
Magnus wand sich wie ein Aal – ja, das war es gewesen, diese 10 dämlichen Regeln, die diese kleine Landplage „Dekalog“ nannte und die er sich partout nicht merken konnte! Mist, zum aus der Haut fahren!
„Und außerdem – deine Späher haben nicht wirklich sorgfältig Ausschau gehalten: Den weisen Mann vom Berg, die Mutter, die für ihr Kind starb, der Nachbar, der für den Freund ins Gefängnis ging, der Vater, der täglich in Gedanken seinen Kindern gute Wünsche hinterherschickte, wenn sie morgens das Haus verließen – die sind aus meiner Mannschaft, ganz egal, was du tust, die hast du nicht herumgekriegt!“ sprachs und kam Magnus mit fröhlichem Gehopse näher. Doch was war das?! Mit jedem Schritt alterte das Kind, und bis es den langen Thronsaal durchquert hatte, ragte ein großgewachsener, gut gebauter Mann vor Magnus auf, mindestens einen Kopf größer und deutlich breiter in den Schultern. „Und wo wir schon dabei sind – ich komme nicht ohne meine persönliche Security, die musst du mir schon gewähren…darf ich vorstellen? Die vier Reiter hier hinter mir gehören zur ‚Last-Minute-Army‘, mein Vater hat sie handverlesen…sie werden zu euer aller Vergnügen nun eine Komposition für 4 Blasinstrumente aufführen.“
Er hatte noch nicht den Mund geschlossen, da ertönte der erste Klang – einer Posaune, und Magnus‘ Thronsaal begann in den Grundmauern zu wanken. Mit dem Posaunenstoß des zweiten Bläsers fielen die Dachschindeln herab, das Glas sprang aus den Fenstern. Beim dritten Bläser, dessen Instrument einen Sprung haben musste, so schief ertönte sein Ruf, zersprengte es alle Ketten, in die Magnus die unendliche Zahl seiner Kriegsgefangenen gelegt hatte – und schließlich, beim letzten Posaunisten angekommen, ging ein Riss durch das gesamte Gebäude, und Sonnenlicht durchflutete die dunkel-düstere Behausung.
Das war zuviel! Magnus vergaß alle Würde und Fassung und fing hemmungslos zu weinen an! Schwer ließ er sich auf seinen Thron fallen, der auch schon ganz schief stand und inmitten der Trümmer und des Chaos nur noch lächerlich wirkte: „Jedesmal das Gleiche! Ich strenge mich so an, und du wirfst alles über den Haufen! Was soll nun werden? Was kommt jetzt?“ maulte er, von Schluchzern unterbrochen.
„Nun, auf die göttliche Komödie folgt nun das Spiel der Liebe. Und lass‘ dir gesagt sein, auch weiterhin wird schärfstens beobachtet, ob du dich an die Regeln hältst, die natürlich ich wieder vorgebe – wer gewinnt, darf die neue Runde einleiten. Und damit du dir die Regeln merken kannst, belassen es wir bei einer: Hoffnung.“
Der gut gewachsene Mann drehte sich um und schritt mit hoch erhobenem Haupt, aber ohne Stolz, sondern im Einklang mit sich und seiner Schöpfung, Richtung Ausgang – und mit jedem Schritt wurde er kleiner, und jünger, und kindlicher – bis Magnus gar meinte, ein unbefangenes Lachen zu hören, ganz so, wie es Kleinkinder von sich geben, wenn sie von der Mutter gedrückt und liebkost werden…