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Auszug Nr.2

Beitragvon schreibs » Do 03 Sep, 2020 19:55


Ich registrierte eine Beschleunigung des menschlichen Verhaltens in einem Abstand von etwa zwanzig Metern von mir. Interessiert näherte ich mich dem Geschehen, in der unbewussten Hoffnung eine Relation zwischen meiner Unlust und dem Begriff der Schaulust definieren zu können: zwei Menschen rangelten sich ein wenig. Einer der rangelnden Menschen war weiblichen Geschlechts und war dem Angreifer körperlich hoffnungslos unterlegen. Der Angreifer war kurz gewachsen und von drahtiger Gestalt. Ich hatte mich gerade auf den Weg hin zu den sich kloppenden Kandidaten gemacht und registrierte aufgeregt, dass es sich um eine mir bekannte Dame, die als Prostituierte am Menschenfelsen arbeitete, handelte.

Da schlug der Mann die junge Dame mit einer solchen Kraft, dass ein Knall sie durch die Luft wirbelte. Der kleine Kämpfer verschwendete keine Zeit, schritt auf sein Opfer zu und schlug wahllos auf das Objekt seiner Prügelkünste ein. Dann hörte er auf die Frau, die regungslos am Boden lag, zu schlagen. Mit letzter Kraft schien sie nach ihrem Leibchen zu tasten, welches ebenfalls im Dreck lag. Der Mann kommentierte diese Bewegung mit einem Tritt von solcher Wucht, dass ich innerlich aufjammern musste. Es war wie das Porzellan eines Fremden zerschellen zu sehen, nur dass hier der Fremde offesnsichtlich das Porzellan war. Hier wurde ich misstrauisch. Bei meinen Ausflügen ans Ende der Welt beobachtete ich sterbende Menschen ohne mit der Wimper zu zucken. Das Leben einer Fliege und das Leben eines Menschen richtig einzuschätzen, ist keine selbstverständliche Kunst für mich. Verbeult lag die Frau am Boden und wimmerte vor Schmerzen. Ihre Haut leuchtete in funkelndem Rot, da ihre Durchblutung durch das Windelweichgeschlagenwerden angeregt worden war.

Schwankend näherte sich nun ein hünenhafter Osteuropäer und schlug lustvoll auf den kleinen Herrn ein, der die Prostituierte körperlich misshandelt hatte. Diese schleppte sich davon, vor Schmerzen und Verzweiflung kreischend. Ich konnte ein Gefühl der Erleichterung nicht verleugnen, als der osteuropäische Rächer seine Arbeit machte. Ein Tritt gegen den Brustkorb des Angreifers, ließ den Damenquäler verstummen. "Ich bin wirklich kein Rassist" sagte der Hüne entschuldigend. Menschen, die das Geschehen aus einiger Entfernung beobachtet hatten, näherten sich nun dem Geschehen und drückten dem Osteuropäer ihre Dankbarkeit und ihre Ehrerbietung aus. Da wurde mir ein wenig übel und ich ging spazieren, beschaute das Menschenmaterial, das sich so interessant präsentierte, dass ich zwölf Stunden beinahe ohne Pause spazieren ging.

Nach acht Stunden des Spazierengehens begegnete ich einem Abkömmling der Travestie. Ich war zu dem Zeitpunkt etwas erschöpft und er wollte eine Zigarette von mir. Leider hatte ich nur noch eine und war damit zufrieden, so dass ich keinen Vorrat in meinen Taschen beherbergte. Nachdenklich offenbarte der junge Tranvestit, dem ein erstaunlich großer Schädel zueigen war und der mich ein wenig an Albert Einstein erinnerte, dass er Crack rauchen wolle. Er liess die entsprechende Pfeife in seiner Hand hervorschimmern, was mich marginal einschüchterte und sagte "ich brauche Asche" . Ich brach ein Viertel meiner Zigarette ab und reichte dem fremden Mann den Tabakstumpen. Dann schaute er mich für einen winzigen Zeitraum nachdenklich an und es schien mir offensichtlich, dass er etwas Schönes gesehen hatte. "Ich danke dir" sagte er und ging mit seiner Begleitung davon. Die Schönheit und Sinnhaftigkeit davon, den guten Willen der Mitmenschen auch bei einfachen Dingen zu erkennen und zu würdigen, offenbarte sich mir in unbekannter Deutlichkeit. Beschwingt spazierte ich weitere vier Stunden und genoss meine Errungenschaften im sozialen Metier.
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