Guten Abend Frau Neruda!
Ich habe mit Freude Ihr Gedicht gelesen, denn der prosaisch gehaltene Lesefluss gefällt mir sehr gut. Nur Schade, dass Ihnen der Mut zur Streichung und Reduzierung fehlt. Der Vorschlag von Herrn Mords Tussi (was hat sich die Hildegard, meine Frau, über den Namen aufgeregt, aber das gehört nicht hierher) mag in seiner Radikalität der Autorin Schmerzen bereiten (Trennungen sind schmerzhaft. Ich kenne das, wenn ich die Kälbchen verkaufe, denen ich meist auch noch in der Nacht auf die Welt geholfen habe.Man hängt an ihnen.), jedoch besticht das Gedicht nachdem es von Herrn Mords Tussi geschoren wurde.
Die Adjektive engen das Gedicht nicht nur ein, sondern berauben es gerade durch ihren Gebrauch in seinem Fluss. Sie wollen konkretisieren, engen aber ein.
"bis grüne säure verbittert die blutbahn durchflutet, kanäle
verätzt wie deine augäpfel, "
Das von Ihnen angelegte semantische Feld läuft über das Kotzen hin zur Säure, welche dann in die Blutbahn gelangt, bis hin zu den Augen, die verätzt werden. Mit den Streichungen von Herrn Mords Tussi liest es sich folgendermaßen:
bis säure die blutbahn durchflutet, kanäle
wie deine augäpfel,
Jeder Leser hat seine eigene Vorstellung von Säure, was Farbe, Geruch, Konsistenz betreffen mag. Genauso wie der Leser im Vorfeld schon das Bild der "Kotze" vor Augen hat, vielleicht schon eilnen bestimmten Geruch in der Nase aufsteigen spürt. Das Säuregefühl bei mehrmaligem Erbrechen ist auch vielen bekannt.
Nun durchflutet die Säure die Blutbahn. Das Fluten bezeichnet ein Ergreifen des gesamten Menschen, die Blutbahn steht dafür, durch alle Kanäle, bis in die letzte Faser hinein glaubt man beim Lesen zu spüren, ziehen sich dieser Schmerz und Wundbrand.
Diese Dramatik- auch durch die vorgestellte Verätzung der Augen auf Grund ihrer hohen Empfindlichkeit-verliert durch die m.E. übertriebene Betonung einerseits der Farbe und andererseits der Benutzung der Geschmackspaare sauer-bitter. Denn entweder sauer oder bitter. Ich denke, die Bitterkeit des Geschehens liegt schon in der Natur der Säure selbst. So wirkt sie selbst kurzzeitig, schlägt aber erbarmungslose, tiefsitzende Wunden. Was bleibt sind die Wunden, die Verletzungen, das Gezeichnetsein. Kurzum Bitternis.
Noch ein Wort zu den rosa Plastikblumen. Die Argumentation des Herrn Evilsuperbitch (oh, das darf die Hildegard nicht lesen, da bekomme ich Ärger wegen des Namens) ist stringent. Das Wort "Plastikblumen" ohne Adjektiv liest sich stärker, deutungsbreiter aber sicherlich nicht zunächst in die von Frau Neruda angedeutete Richtung der vorgetäuschten Sicherheit. Verschiedene Geschmäcker und vielleicht dementsprechende Lebensentwürfe könnten hier assoziiert werden.
Aber so weit so gut. Vielleicht wird ja noch etwas geändert. Ich jedenfalls muss in den Stall.
Es grüßt Sie recht herzlich Ihr OlafmitdemTraktor.