Beschreibung von Natur und Umwelt

Panta rhei, unvollständig

Beitragvon rivus » Fr 12 Feb, 2021 13:52


Panta rhei, unvollständig

Schnee duckt das Schilf.
Es schnellt meine Füße zum Boot am alten Steg.
Das Empfangsensemble ist Fließwind und frierend ein Zizibe.

Hier schnappten wir uns einst jeden Zentimeter vom Du des andern.
Oft ertappten wir unsre Blicke im großen Kajütenspiegel.
Was wir sahen gefiel uns beiden.

Der Himmel war noch nicht zweigeteilt.
Das Wasser lebte und spiegelte.
Ich war Du und Du warst Ich zur gleichen Zeit.

Im Wolkengeäst sitzt ein Eichelhäherpärchen,
Winter droht, aber es verscheucht seine Kälte mit ihren blauen Spiegeln auf den Flügeln und ungewohntem Schweigen.

Ein Frühlingstraum schreitet über die Türschwelle
und blättert sich wie ein Zwillingsbuch auf.

A.S./12.2.21
Zuletzt geändert von rivus am Fr 12 Feb, 2021 14:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Panta rhei, unvollständig

Beitragvon Urian 2000 » Do 01 Apr, 2021 07:20


Lieber Rivus,

das ist ein unglaublich starkes Stück, wie ich finde. Dieser Frühlingstraum leckt auch das Eis von der Türschwelle meines langen Schweigens hier.

Jede verstrichene Winter-Sekunde steckt voller Ewigkeit und ehrt die Schönheit aller Pärchen, das selbst dem zitternden Zizibe warm werden muss. Aber halt, nein, es sind doch nur Erinnerungen, die hier im Spiegel hoher Zeiten Sonnenbäder nehmen und sich auf Du und Du stillschweigend in die Arme einer ungeteilten Gleichzeitigkeit legen. Im Licht blinkender Augenpaare, denen gefällt, was sie sehen, umschmeicheln sie noch immer die Wärme ihrer Körperlichkeit. Dieses Begehren greift jeder Wirklichkeit unters Schneekleid und bricht und öffnet die Blüte eines blauen Schimmers, der gestern heute morgen - EinsAlles - in leidenschaftliche Kreisbahnen lenkt. Verschwinden und Wiederkehr. Die Enantiodromie fügt sich eben keiner kalten Wirklichkeit und lässt das Mögliche eines aufgeschlagenen Zwillingsbuchs genau dort entstehen, wo die Träume ihre Heimstatt haben müssen. Wirklich traumhaft! Ich bin gerührt. Danke dafür...


Mehr als einen Morgen-Abriss bringe ich gerade nicht hin...

Beste Grüße
Urian 2000
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Re: Panta rhei, unvollständig

Beitragvon rivus » Do 20 Jan, 2022 06:36


Hi Urian 2000,
Zeitchen hat flinke Füße. Ich bedanke mich, leider sehr spät, für das Aufblättern deiner Assoziationen und Gefühle zu diesem Text. Es ist merkwürdig nach so langer Zeit sich deinen und meinen Zeilen zu stellen. Du hast deins sehr lyrisch beschrieben und damit ein zweites Panta rhei in meinem Lesen von Deinem entstehen lassen. Ja, Heimstatt für die eigenen Träume finden, sie nicht aufgeben, zu ihnen wieder einen Zugang finden, das ist ein Weg, sich selbst nach Hause zu bringen und sich zu befreien, die eigenen Wurzeln zu heilen.


MfG rivus
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